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Thema: Hast du die Bibel je selbst gelesen?

  1. #4726
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Klagelieder 2
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    1 Ach, wie hat doch der Herr in seinem Zorn die Tochter Zion umwölkt! Vom Himmel her hat er die Herrlichkeit Israels in den Staub geschleudert und des Schemels seiner Füße nicht gedacht am Tage seines Zorns!
    2 Schonungslos hat der Herr verwüstet alle Fluren Jakobs, hat in seinem Grimm niedergerissen die Burgen der Tochter Juda, hat in den Staub geworfen und entweiht ihr Königtum und ihre Fürsten!
    3 In Zornesglut hat er zerschlagen Israels ganze Kraft, hat seine Rechte vor dem Feinde zurückgezogen und Jakob in Brand gesetzt wie Feuerflammen, die ringsum alles verzehren.
    4 Seinen Bogen hat er gespannt wie ein Feind, hat mit seiner Rechten Stellung genommen wie ein Gegner und alles, was das Auge erfreute, vertilgt im Zelt der Tochter Zion: ausgegossen hat er seinen Grimm wie Feuer.
    5 Der Herr hat sich uns als Feind erwiesen, hat Israel vernichtet, vernichtet alle seine Paläste, zerstört seine Burgen und bei der Tochter Juda aufgehäuft Seufzen und Geseufze.
    6 Er hat seinen Tempelplatz zerwühlt wie einen Garten, den Ort seiner Festversammlungen verwüstet. Der HERR hat in Zion Festfeiern und Sabbate in Vergessenheit gebracht und in seinem Zorneseifer verworfen den König und den Priester.
    7 Verschmäht hat der Herr seinen Altar, sein Heiligtum verworfen, hat dahingegeben in Feindeshand die Mauern ihrer Paläste; sie haben im Hause des HERRN ein Geschrei erhoben wie an einem Festtage.
    8 Der HERR hatte beschlossen, die Mauer der Tochter Zion zu zerstören: er hat die Meßschnur über sie gezogen, seine Hand vom Verderben nicht zurückgehalten und in Trauer versetzt Wall und Mauer: kläglich liegen sie zusammen da!
    9 Zu Boden sind ihre Tore gesunken, ihre Riegel hat er zerbrochen und zerschlagen; ihr König und ihre Fürsten weilen jetzt unter den Heidenvölkern, die Rechtspflege ist dahin; auch ihre Propheten empfangen keine Offenbarung mehr vom HERRN.
    10 Schweigend sitzen am Boden die Ältesten der Tochter Zion, haben Staub auf ihr Haupt gestreut, sich mit Sacktuch umgürtet; zu Boden haben ihr Haupt gesenkt die Jungfraun Jerusalems.
    11 Ich habe mir die Augen ausgeweint, mein Inneres wallt, das Herz ist mir gebrochen über den Untergang der Tochter meines Volkes, weil Kinder und Säuglinge verschmachten auf den Straßen der Stadt.
    12 Ihren Müttern rufen sie zu: »Wo ist Brot [und Wein]?« (und keins ist da Wie tödlich Verwundete verschmachten sie auf den Straßen der Stadt, während sie ihr Leben aushauchen an ihrer Mütter Brust.
    13 Was soll ich dir zur Ermutigung vorhalten, womit dich vergleichen, Tochter Jerusalem? Was soll ich dir gleichstellen, um dich zu trösten, jungfräuliche Tochter Zion? Ach, groß wie das Meer ist dein Trümmerfeld: wer könnte dich heilen?
    14 Deine Propheten haben dir Lüge und Trug geweissagt; deine Schuld haben sie nicht aufgedeckt, um dadurch dein Geschick zu wenden, sondern haben dir Sprüche geweissagt, die dich täuschten und ins Unglück brachten.
    15 Es schlagen über dich die Hände zusammen alle, die des Weges vorüberziehen; sie zischen und schütteln den Kopf über die Tochter Jerusalem: »Ist das die Stadt, die man nannte die Krone der Schönheit, die Wonne der ganzen Welt?«
    16 Über dich reißen alle deine Feinde den Mund weit auf; sie zischen und knirschen mit den Zähnen, sie rufen aus: »Wir haben sie verschlungen! Ja, dies ist der Tag, den wir erhofften: wir haben ihn erreicht, erlebt!«
    17 Der HERR hat seinen Ratschluß ausgeführt, seine Drohung erfüllt, die er seit den Tagen der Vorzeit ausgesprochen hat: er hat niedergerissen ohne Erbarmen, hat den Feind über dich frohlocken lassen, den stolzen Sinn deiner Bedränger noch stolzer gemacht.
    18 Schreie laut zum Herrn, du jungfräuliche Tochter Zion! Laß deine Tränen wie einen Bach rinnen bei Tag und bei Nacht! Gönne dir keine Ruhe, laß deinen Augenstern nicht rasten!
    19 Auf, klage laut die Nacht hindurch beim Beginn jeder Nachtwache! Gieße dein Herz aus wie Wasser vor dem Angesicht des Herrn! Hebe deine Hände zu ihm empor für das Leben deiner Kindlein, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken!
    20 O HERR, schaue her und sieh darein: wem hast du je Gleiches getan? Dürfen Frauen ihre Leibesfrucht verzehren, die liebevoll gepflegten Kindlein? Dürfen im Heiligtum des Herrn gemordet werden Priester und Propheten?
    21 Am Boden hingestreckt liegen auf den Straßen Kinder und Greise; meine Jungfrauen und Jünglinge sind durchs Schwert gefallen: du hast sie am Tage deines Zornes niedermetzeln und ohne Erbarmen abschlachten lassen!
    22 Wie zu einem Festtag hast du die Insassen meiner Dörfer ringsum herbeigerufen, und es hat am Zornestage des HERRN keinen Entronnenen und Geretteten gegeben: alle, die ich liebevoll gepflegt und großgezogen, die hat mein Feind vernichtet!


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • Im ersten Klagelied ging es um die klagende Stadt und die Stimmung war arg Depri. Hier scheint mir, die Zerstörungswut Gottes im Vordergrund zu stehen (Zorn, geschleudert, Schonungslos, verwüstet, niedergerissen, Zornesglut, Brand, Feuerflammen).
    • Diese ist unvergleichlich (vgl. V. 20)
    • Die Zerstörung wird als allumfassend dargestellt; für Israel/ das Volk der Juden werden verschiedene Begriffe genutzt (Jakob, Tochter Juda, Israel, Tochter Zion). Die Zerstörung richtet sich gegen
      • Verteidigungsinfrastruktur (Burgen, Wall, Mauern)
      • Politische Einrichtungen (Paläste; König, Fürsten)
      • Kulturelle/ Religiöse Einrichtungen (Tempelplatz, Festfeiern, sein Heiligtum; Priester und Propheten)
      • Religiöse Einrichtungen (sein Heiligtum)
      • Die Bevölkerung (Älteste, Jungfrauen, Kinder, Säuglinge, Mütter, Greise, Jünglinge, Insassen meiner Dörfer)

    • Das mit den Säuglingen ("ihr Leben aushauchen an ihrer Mütter Brust", V. 12) ist hart. Da kann unser Sid froh sein, dass es ihm besser geht
    • Vers 18f ist interessant, nachdem wir im 1. Lied die Perspektive der Stadt schon gehört haben und hier die Aufforderung, "laut zum Herrn" zu schreien formuliert wird
    • Ich frage mich, wessen Perspektive wird im 3. Klagelied einnehmen. 1 war die Stadt, 2 war eher Gott. Vielleicht das Volk?



    https://www.bibleserver.com/LUT.ELB....U/Klagelieder2
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  2. #4727
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Klagelieder 3

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    1 Ich bin der Mann, der Elend erlebt hat durch die Rute seines Zornes;
    2 mich hat er geführt und getrieben in Finsternis und tiefes Dunkel;
    3 nur gegen mich kehrt er immer wieder seine Hand Tag für Tag!
    4 Mein Fleisch und meine Haut hat er hinschwinden lassen, meine Glieder zerschlagen;
    5 aufgetürmt hat er rings um mich Gift und Mühsal;
    6 in Finsternis hat er mich versenkt wie die ewig Toten.
    7 Er hat mich ummauert, daß ich keinen Ausweg habe, mich mit schweren Ketten beladen;
    8 ob ich auch schreie und rufe: er verschließt sich meinem Flehen.
    9 Er hat meine Wege mit Quadersteinen vermauert, meine Pfade ungangbar gemacht.
    10 Ein lauernder Bär ist er mir gewesen, ein Löwe im Versteck.
    11 Er hat mich auf Irrwegen wandeln lassen und mich zerfleischt, mich verstört;
    12 er hat seinen Bogen gespannt und mich als Zielscheibe hingestellt für seine Pfeile,
    13 hat die Söhne seines Köchers mir ins Herz dringen lassen.
    14 Meinem ganzen Volk bin ich zum Hohn geworden, ihr Spottlied den ganzen Tag;
    15 mit Bitternissen hat er mich gesättigt, mit Wermut mich getränkt.
    16 Meine Zähne hat er mich an Kieseln zerbeißen lassen, mich in den Staub niedergetreten.
    17 Du hast meiner Seele den Frieden entrissen, so daß ich verlernt habe, glücklich zu sein,
    18 und ausrufe: »Dahin ist meine Lebenskraft und verloren meine Hoffnung auf den HERRN!«
    19 Gedenke meines Elends und meiner Irrsale, des Wermuts und des Gifts!
    20 Ohne Unterlaß denkt meine Seele daran und ist gebeugt in mir.
    21 Dies will ich mir zu Herzen nehmen und darum der Hoffnung leben:
    22 Die Gnadenerweisungen des HERRN sind noch nicht erschöpft, sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende;
    ---
    23 alle Morgen sind sie neu, groß ist deine Treue.
    24 »Der HERR ist mein Teil!« bekennt meine Seele; drum will ich auf ihn hoffen.
    25 Gütig ist der HERR gegen die, welche auf ihn harren, gegen ein Herz, das ihn sucht.
    26 Gut ist es, geduldig zu sein und schweigend zu warten auf die Hilfe des HERRN.
    27 Gut ist es für jeden, das Joch schon in seiner Jugend tragen zu lernen;
    28 er sitze einsam und schweige, wenn der HERR es ihm auferlegt!
    29 Er neige seinen Mund in den Staub hinab: vielleicht ist noch Hoffnung vorhanden;
    30 er biete ihm, wenn er ihn schlägt, die Wange dar, lasse sich mit Schmach sättigen!
    31 Denn nicht auf ewig verstößt der HERR,
    32 sondern, wenn er Trübsal verhängt hat, erbarmt er sich auch wieder nach seiner großen Güte;
    33 denn nicht aus Lust plagt und betrübt er die Menschenkinder.
    34 Wenn man mit Füßen niedertritt alle Gefangenen der Erde,
    35 wenn man das Recht eines Mannes beugt vor den Augen des Höchsten,
    36 wenn man einen Menschen in seinem Rechtsstreit ins Unrecht setzt: sollte das der Herr nicht beachten?
    37 Wer kann denn befehlen, daß etwas geschehe, ohne daß der Herr es geboten hat?
    38 Geht nicht aus dem Munde des Höchsten das Glück wie das Unglück hervor?
    39 Was klagt (also) der Mensch, solange er lebt? Ein jeder klage über seine Sünden!
    40 Laßt uns unsern Wandel prüfen und erforschen und zum HERRN umkehren!
    41 Laßt uns unser Herz mitsamt den Händen erheben zu Gott im Himmel!
    42 Wir sind es, die abtrünnig und ungehorsam gewesen sind; du aber hast nicht verziehen,
    43 hast dich in Zorn gehüllt und uns verfolgt, hingerafft ohne Schonung;
    44 du hast dich in Gewölk gehüllt, so daß kein Gebet hindurchdringen konnte;
    ---
    45 zu Kehricht und zum Abscheu hast du uns gemacht inmitten der Völker.
    46 Es haben den Mund gegen uns aufgerissen all unsere Feinde;
    47 Grauen und Grube sind uns zuteil geworden, Verwüstung und Untergang!
    48 Wasserbäche läßt mein Auge rinnen über die Zertrümmerung der Tochter meines Volkes.
    49 Mein Auge ergießt sich ruhelos in Tränen ohne Aufhören,
    50 bis der HERR vom Himmel herniederschaue und dareinsehe.
    51 Was ich sehen muß, versetzt mich in Trauer um aller Töchter meiner Stadt willen.
    52 Ach! Wie einen Vogel haben die mich gejagt, die mir ohne Ursache feind sind;
    53 sie haben mich in die Grube gestoßen, um mein Leben zu vernichten, und haben Steine auf mich geworfen:
    54 die Wasser schlugen mir über dem Haupt zusammen; ich dachte: »Mit mir ist’s aus!«
    55 Da rief ich deinen Namen an, HERR, tief unten aus der Grube,
    56 und du hast mich gehört, als ich zu dir flehte: »Verschließ dein Ohr nicht meinem Hilferuf!«
    57 Du hast dich mir genaht, als ich dich anrief, hast mir zugerufen: »Fürchte dich nicht!«
    58 Du, o HERR, hast meine Sache geführt, hast mein Leben gerettet;
    59 du, o HERR, hast meine Unbill gesehen: verhilf mir zu meinem Recht!
    60 Du hast all ihre Rachgier gesehen, all ihre Anschläge gegen mich,
    61 hast, o HERR, ihr Schmähen gehört, all ihre Anschläge gegen mich,
    62 das Gerede meiner Widersacher und ihre täglichen Ränke gegen mich.
    63 Gib acht auf ihr Sitzen und ihr Aufstehen: ihr Spottlied bin ich!
    64 Du wirst ihnen vergelten, HERR, wie ihre Taten es verdienen,
    65 wirst ihnen Verblendung ins Herz geben: dein Fluch komme über sie!
    66 Du wirst sie im Zorn verfolgen und sie vertilgen unter Gottes Himmel hinweg!


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • Was mir auffällt, ohne einen Vers gelesen zu haben: Die sind alle recht kurz. Es gibt keinen Zeilenumbruch innerhalb eines Verses auf meinem Monitor (und ich benutzt schon Shakkeline)
    • Es wird zwar nicht gesagt, wer spricht, aber ich könnte mir Jeremia gut vorstellen. Das Versenken in Finsternis und Ummauern könnte sich auf seine (mehrfache) Gefangenschaft in einer Zisterne beziehen. Andererseits hat er immer sehr überzeugt von und über Gott gesprochen. Hiob im Endstadium kam mir noch in den Sinn
    • Söhne seines Köchers (V. 13) finde ich eine schöne Metapher für Pfeile.
    • Die ersten 22 Verse könnten aus einem düsteren Metal Lied sein. My Friend of Misery von Metallica kam mir in den Sinn. Schon relativ explizite und deprimierende Bilder, die da gezeichnet werden. In Vers 17 wird das stark auf den Punkt gebracht: "Du hast meiner Seele den Frieden entrissen, so daß ich verlernt habe, glücklich zu sein" - wenn man das ins Englische übersetzt, "You have torn the peace from my soul", doch, dann hört sich das für mich nach Metal an
    • Wobei der "Song" vor Vers 21f aufhören würde; da wechselt die Stimmung ins Positive
    • Wenn 23-44 die Klimax der Klagelieder bilden, bin ich etwas enttäuscht. Für mich klingt das nach reichlich Generischem "Do ut des" (V. 25), bekannten Tugenden (Güte, Geduld, Demut/ "das Joch tragen lernen") einschließlich Unterwürfigkeit ggü. Gott (V. 29f) - mit der ich so gar nichts anfangen kann - und Gott ist groß (V. 37)
    • Herausragend ist für mich V. 24: "Der HERR ist mein Teil" klingt nach dem in Vers 17 fehlenden/ herausgerissenen Teil. Also Gott = (Seelen-)Frieden.
    • Vers 40f könnte man so lesen, als ob jetzt das Volk spricht. Das war ja meine Vermutung nach Klagelied 2.
    • Die letzten 22 Verse greifen thematisch dann die ersten 22 wieder auf (Grube), bezieht das darin geäußerte Gefühl aber auf den Untergang Jerusalems. Dieser Teil bleibt aber nicht durchweg negativ, wie der erste, sondern wird ab der Hälfte hoffnungsfroher.
    • Meintest du das mit der "Antwort" D' auf D, Kantel? Ich hätte es formell vielleicht noch ein wenig wie eine komprimierte Fassung der ersten 44 Verse angesehen (halb depri, halb Hoffnung), wobei die ersten 44 Verse sehr allgemein gehalten sind ("Ich bin der Mann, der Elend erlebt hat" könnte jeden meinen; "Laßt uns unsern Wandel prüfen und erforschen und zum HERRN umkehren!" (V. 40) ist auch ein sehr generischer Ausruf) und die letzten 22 es dann konkreter auf die politische Situation rund um Jerusalems Niedergang bezogen wird
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  3. #4728
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Klagelieder 4
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    1 Ach, wie ist doch das Gold so glanzlos geworden, wertlos das Edelmetall! Hingeschüttet liegen die Edelsteine an allen Straßenecken!
    2 Zions Söhne, die hochgeschätzten, die sonst mit gediegenem Gold aufgewogen wurden, o wie sind sie jetzt irdenem Geschirr gleichgeachtet, dem Machwerk von Töpfers Hand!
    3 Selbst Schakale reichen die Brust dar, säugen ihre Jungen; doch die Töchter meines Volkes sind gefühllos geworden wie die Strauße in der Wüste.
    4 Den Säuglingen klebt die Zunge am Gaumen vor Durst, die Kindlein flehen um Brot, aber niemand bricht es ihnen.
    5 Die sonst Leckerbissen aßen, verhungern auf den Straßen; die sich auf Purpurkissen hegen ließen, betten sich jetzt auf Düngerhaufen;
    6 denn die Schuld der Tochter meines Volkes war größer geworden als die Sünde Sodoms, das in einem Augenblick zerstört wurde, ohne daß Menschenhände dabei mitwirkten.
    7 Ihre Fürsten erglänzten reiner als Schnee, weißer als Milch; röter war ihr Leib als Korallen, wie Saphir ihre Gestalt geworden.
    8 Jetzt aber ist ihr Aussehen schwärzer als Ruß geworden, man erkennt sie nicht mehr auf den Straßen; runzlig ist die Haut an ihrem Leibe, ausgedörrt wie ein Stück Holz.
    9 Besser sind die vom Schwert Erschlagenen daran als die vom Hunger Getöteten, die da verschmachteten, zu Tode getroffen vom Mangel an Früchten des Feldes.
    10 Haben doch weichherzige Frauen mit eigenen Händen ihre Kinder gekocht: die mußten ihnen zur Nahrung dienen beim Zusammenbruch der Tochter meines Volkes.
    11 Der HERR hat seinen Grimm sich voll auswirken lassen, seine Zornesglut ausgegossen und in Zion ein Feuer entfacht, das seine Grundfesten verzehrt hat.
    12 Sie hatten es nicht geglaubt, die Könige der Erde, auch kein Bewohner des Erdkreises, daß Belagerer und Feinde (jemals) einziehn würden in die Tore Jerusalems.
    13 Das ist geschehen wegen der Sünden ihrer Propheten, wegen der Missetaten ihrer Priester, die in ihrer Mitte das Blut von Gerechten vergossen haben.
    14 Sie irrten wie Blinde auf den Straßen umher, mit Blut besudelt, so daß man ihre Kleider nicht berühren mochte.
    15 »Aus dem Wege, ein Unreiner!« rief man vor ihnen aus; »aus dem Wege! Hinweg, berührt ihn nicht!« »Wenn sie noch Gefallen daran finden, sich umherzutreiben«, sagte man unter den Heiden, »so dürfen sie nicht länger (bei uns) bleiben!«
    16 Der Zornesblick des HERRN hat sie zerstreut, er mag nichts mehr von ihnen sehen. Man achtete der Priester nicht und ließ den Ältesten keine Schonung widerfahren.
    17 Noch immer schmachteten unsere Augen nach Hilfe für uns, die nicht erschien; auf unserer Warte warteten wir auf ein Volk, das nicht zu Hilfe kam.
    18 Schon stellte man uns auf Schritt und Tritt nach, so daß wir uns auf unsern Straßen nicht frei bewegen konnten; unser Ende nahte, unsere Tage waren abgelaufen, ja, unser Ende war gekommen.
    19 Schneller waren unsere Verfolger als die Adler des Himmels; auf den Bergen jagten sie uns nach, in der Wüste lauerten sie uns auf.
    20 Unser Lebensodem, der Gesalbte des HERRN, wurde in ihren Gruben gefangen, er, von dem wir dachten: »In seinem Schatten werden wir leben unter den Völkern!«
    21 Frohlocke nur und freue dich, Tochter Edom, die du wohnst im Lande Uz! Auch an dich wird der Becher kommen: du wirst trunken werden und dich entblößen!
    22 Abgetan ist deine Schuld, Tochter Zion: Gott wird dich nicht wieder in Gefangenschaft führen; doch deine Schuld wird er heimsuchen, Tochter Edom, und deine Sünden aufdecken!


    Bemerkungen/ Gedanken:
    • Im 2. Lied haben wir Gottes Perspektive gesehen und dass er alles kurz und klein haut. Mal sehen, inwiefern das 4. Lied daran anknüpft.
    • Es geht auf jeden Fall wieder mit dem Verfall von Schönem (Gold, Edelmetall, Edelsteine) los. Überhaupt wird viel Schmuckhaftes erwähnt (Korallen, Saphir in V. 7). Daneben gibt es verendende Säuglinge und ein sterbendes Volk.
    • Für meine Ohren klingt die Sprache wehmütig ("Besser sind die vom Schwert Erschlagenen daran"), vielleicht sogar ein Stück weit reumütig.
    • Über den Sprecher erfahren wir wenig, in Vers 3 wird er erwähnt. Könnte Gott sein. Könnte aber auch ein anderer Angehöriger des Volkes Israel sein, zumal in Vers 11 der "HERR" wieder namentlich adressiert wird.
    • Vers 10 - Emoticon: wtf Emoticon: wtf Emoticon: wtf
    • Summa summarum werden in diesem Kapitel die "Früchte" der Zerstörung aus dem 2. Lied geerntet:
      • Die Reichtümer liegen überall rum
      • Die Menschen darben und müssen ihre eigenen Kinder essen, um zu überleben
      • Das Volk ist zerstreut und wird verfolgt

    • Aber zumindest wird hier am Ende auch etwas Hoffnung laut: "Abgetan ist deine Schuld".
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  4. #4729
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    Klagelieder 5
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    1 Gedenke, HERR, dessen, was uns widerfahren ist! Blicke her und sieh unsere Schmach!
    2 Unser Erbbesitz ist an Fremde übergegangen, unsere Häuser an Ausländer.
    3 Waisen sind wir geworden, vaterlos, unsere Mütter sind wie Witwen.
    4 Unser Wasser trinken wir um Geld, nur gegen Zahlung erhalten wir unser eignes Holz.
    5 Unsere Verfolger sitzen uns auf dem Nacken, und sind wir ermattet, gönnt man uns keine Ruhe.
    6 Den Ägyptern haben wir die Hand gereicht und den Assyrern, um uns satt zu essen. –
    7 Unsere Väter, die gesündigt haben, sind nicht mehr: wir müssen ihre Verschuldungen büßen.
    8 Knechte herrschen über uns: niemand entreißt uns ihrer Hand.
    9 Mit Lebensgefahr schaffen wir unser Brot herein, in Angst vor dem Schwert der Wüstenbewohner.
    10 Unsere Haut glüht wie ein Ofen von der Fieberglut des Hungers.
    11 Ehefrauen haben sie in Zion geschändet, Jungfrauen in den Städten Judas.
    12 Fürsten sind von ihrer Hand gehenkt worden, das Ansehn der Ältesten wird nicht geachtet.
    13 Jünglinge müssen die Handmühle schleppen, und Knaben wanken unter Lasten von Holz.
    14 Die Alten bleiben fern vom Stadttor, die Jungen von ihrem Saitenspiel.
    15 Geschwunden ist die Freude unsers Herzens, unser Reigentanz hat sich in Trauer verwandelt.
    16 Die Krone ist uns vom Haupt gefallen: wehe uns, daß wir gesündigt haben!
    17 Darob ist unser Herz krank geworden, darüber sind unsere Augen umdüstert:
    18 über den Zionsberg, der verödet daliegt, auf dem die Füchse ihr Wesen treiben.
    19 Du aber, HERR, thronst in Ewigkeit, dein Herrscherstuhl steht fest von Geschlecht zu Geschlecht.
    20 Warum willst du uns vergessen für immer, uns verlassen lebenslang?
    21 Führe uns, HERR, zu dir zurück, daß wir umkehren! Laß unsere Tage erneuert werden wie vor alters!
    22 Oder hast du uns gänzlich verworfen? Zürnst du uns unversöhnlich?



    Bemerkungen/ Gedanken
    • Sprecher ist diesmal das Volk; im ersten Lied war es die Stadt. Thematisch bleibt es bei den Folgen, die der Treuebruch mit Gott für das Volk hatte (Hunger, Durst, Verfolgung, Schwert - fehlt eig. die Pest).
    • Interessant finde ich Vers 7: die sündhaften Väter seien tot, trotzdem muss das Volk noch leiden
    • Und zwar wieder alle Teile des Volkes (Ehefrauen, Jungfrauen, Fürstne, Älteste, Jünglinge, Knaben)
    • Vers 10
    • In Vers 16f gesteht sich das Volk seine Fehler ein, aber ich trau dem Braten nicht. Das haben sie schon mehrfach getan - beispielsweise, um danach zu den Ägyptern zu flüchten.
    • Interessant, das Lied endet nicht mit einer hoffnungsvollen Nachricht, sondern mit einer verzweifelt klingenden und unbeantworteten Frage: "Oder hast du uns gänzlich verworfen? Zürnst du uns unversöhnlich?" Interessante und auf mich eher modern anmutende Entscheidung - bislang hatte ich den Eindruck, die Bibeltexte machen immer recht klare Ansagen und arbeiten wenig mit Cliffhangern.
    • Ohne Kantels Hinweis, dass die Lieder in einer A B C D C' B' A' Art aufgebaut sind, hätte ich das nicht bemerkt. Um ehrlich zu sein, seh ich das anhand des Inhalts auch nur so halb
    • Aber das waren die Klagelieder. Sie werden ob der deprimierenden Stimmung dem Namen auf jeden Fall gerecht. Hoffentlich wird Hesekiel (https://www.bibleserver.com/LUT.ELB.MENG.EU/Hesekiel1) wieder etwas angenehmer zu lesen, der kommt nämlich als nächstes.
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  5. #4730
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Ja, der Chiasmus ist auch nur grob inhaltlich. Ich hab das irgendwann mal bei den Einleitungsfragen gelernt (Da lernt man von jedem biblischen Buch Hauptinhalt, Gliederung, Kernverse, Autoren, Abfassungszeit und -umstände) Groß beschäftigt hab ich mich mit dem Buch der Klagelieder noch nicht.

    Der Vers, der aus dem Buch immer zitiert wird, ist aus Kap. 3: "Die Gnadenerweise des Herrn sind noch nicht zu Ende." - mit dem Rest mag man sich nicht sonderlich gern beschäftigen, wer führt sich schon gern vor Ausgen, wie es mit einem aussieht, wenn die Hauptstadt erobert und geplündert wird. Das geht mir selbst genau so, ich finde das Buch schwer zu lesen und auf mich wirken zu lassen.


    Machst du jetzt weiter mit Hesekiel?
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

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  6. #4731
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Das wäre der Plan, ja
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  7. #4732
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Bei Hesekiel braucht man etwas Hintergrund, um den zu verstehen:

    Es gab ja mehrere Wegführungen von Juden aus Jerusalem nach Babylon. Hesekiel wird (wie Daniel) mit der ersten Welle nach Babylon verschleppt. Es existiert also ein Judäa und ein Jerusalem unter jüdischer Herrschaft (als Nebukadnezars Vassall - aber immehin.) Hesekiel und die anderen Exilanten sind aber im Babylon. Sie sind nicht mehr im Land, in das Gott Israel geführt hat, sondern im heidnischen Babylon. Es entsteht also der Gedanke, dass Gott die Weggeführten besonders gestraft habe, während die zu Hause Gelassenen noch mal mit nem blauben Auge davon gekommen sind. Aus der Fremde wünscht man natürlich dem Unabhängigkeitsbestreben der Fürsten unter Zedekija Glück und fiebert mit. Schließlich hasst man ja die Babylonier, die einen erobert und zwangsumgesiedelt haben. Vermutlich mussten die Israeliten in Babylon anfangs auch Zwangsarbeit verrichten.

    Was wird Gott also zu der Situation sagen? Sind die ins Exil Geführten jetzt die Verstoßenen? Haben die Leute in Jerusalem wirklich das bessere Los gezogen? Wie kann man in der Fremde überhaupt Gott treu sein? Man kann ja nicht in den Tempel zu den Opfern, zum Gottesdienst oder zu den vorgeschriebenen Festen gehen. Das ist so ungefähr die Situation in der Hesekiels Botschaft verkündigt wurde.
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

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  8. #4733
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Hesekiel 1
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    1 Und es begab sich im dreißigsten Jahre im vierten Monat, am fünften Tage des Monats, als ich mich unter den in die Verbannung Weggeführten am Flusse Kebar befand: da tat sich der Himmel auf, und ich sah göttliche Gesichte.
    2 Am fünften Tage des Monats – es war das fünfte Jahr seit der Wegführung des Königs Jojachin –:
    3 da erging das Wort des HERRN an den Priester Hesekiel, den Sohn Busis, im Lande der Chaldäer am Flusse Kebar; dort kam die Hand des HERRN über ihn.
    4 Als ich nämlich hinblickte, sah ich plötzlich einen Sturmwind von Norden daherfahren und eine gewaltige Wolke und zusammengeballtes Feuer, von Lichtglanz rings umgeben, und mitten aus ihm blinkte etwas hervor wie der Schimmer von Glanzerz [aus der Mitte des Feuers].
    5 Mitten in ihm erschien dann etwas, das vier lebenden Wesen glich, deren Aussehen folgendes war: sie hatten Menschengestalt,
    6 aber jedes hatte vier Gesichter und jedes von ihnen vier Flügel.
    7 Ihre Beine standen gerade, aber ihre Fußsohlen waren (abgerundet) wie die Fußsohle eines Kalbes, und sie funkelten so hell wie geglättetes Kupfer.
    8 Unter ihren Flügeln befanden sich Menschenhände an allen vier Seiten, und alle vier hatten Flügel,
    9 von denen immer einer den des nächsten berührte; ihre Gesichter wandten sich nicht um, wenn sie gingen, sondern sie gingen ein jedes geradeaus vor sich hin.
    10 Ihre Gesichter sahen aber so aus: (vorn war) ein Menschengesicht, rechts ein Löwengesicht bei allen vieren, links ein Stiergesicht bei allen vieren, und nach innen ein Adlergesicht bei allen vieren.
    11 Ihre Flügel waren nach oben hin ausgebreitet, bei jedem zwei, die sich untereinander berührten, und zwei bedeckten ihre Leiber.
    12 Sie gingen ein jedes geradeaus vor sich hin: wohin der Geist sie zu gehen trieb, dahin gingen sie, ohne beim Gehen eine Wendung vorzunehmen.
    13 Und mitten zwischen den lebenden Wesen war etwas, das wie brennende Feuerkohlen aussah, wie Fackeln, deren Feuer zwischen den Wesen beständig hin und her fuhr; und das Feuer hatte einen strahlenden Glanz, und Blitze gingen aus dem Feuer hervor;
    14 und die lebenden Wesen liefen hin und her, so daß es aussah wie Blitzstrahlen.
    15 Als ich nun die lebenden Wesen näher betrachtete, sah ich je ein Rad auf dem Erdboden neben jedem der vier Wesen.
    16 Das Aussehen der Räder war wie der Schimmer von Chrysolith, und alle vier hatten die gleiche Gestalt, und sie waren so hergestellt, als ob ein Rad innerhalb des andern Rades wäre.
    17 Nach allen vier Seiten hin liefen sie, wenn sie liefen, ohne beim Laufen eine Wendung vorzunehmen.
    18 Ihre Felgen aber – sie hatten eine gewaltige Höhe und Furchtbarkeit – waren bei allen vier Rädern ringsum voller Augen;
    19 und wenn die lebenden Wesen sich in Bewegung setzten, so liefen auch die Räder neben ihnen; und wenn die lebenden Wesen sich vom Erdboden erhoben, dann erhoben sich auch die Räder:
    20 wohin der Geist jene zu gehen trieb, dahin gingen die Räder ebenfalls und erhoben sich zugleich mit ihnen; denn der Geist der lebenden Wesen war in den Rädern:
    21 wenn jene gingen, so gingen auch sie, und wenn jene stehen blieben, so blieben auch sie stehen, und wenn jene sich von der Erde erhoben, so erhoben sich auch die Räder zugleich mit ihnen; denn der Geist der lebenden Wesen war in den Rädern.
    22 Über den Häuptern der lebenden Wesen aber war etwas, das sah aus wie ein Himmelsgewölbe, wie wundervoll glänzender Bergkristall; oben über ihren Häuptern war es ausgebreitet.
    23 Unterhalb des Himmelsgewölbes aber waren ihre Flügel geradegerichtet, jeder nach dem andern hin, von jedem zwei; mit den beiden anderen bedeckten sie ihre Leiber.
    24 Und ich hörte das Rauschen ihrer Flügel wie das Rauschen gewaltiger Wasser, wie den Donner des Allmächtigen. Wenn sie gingen, glich das tosende Rauschen dem Getöse eines Heerlagers; wenn sie aber stillstanden, ließen sie ihre Flügel schlaff herabhängen.
    25 [Und es kam eine Stimme von oberhalb des Himmelsgewölbes, das über ihren Häuptern war; wenn sie stillstanden, ließen sie ihre Flügel schlaff herabhängen.]
    26 Oben über dem Himmelsgewölbe aber, das sich über ihren Häuptern befand, da war es anzusehen wie Saphirstein, etwas, das einem Thron glich; und auf diesem Throngebilde war eine Gestalt zu sehen, die wie eine Mann aussah, oben darauf.
    27 Und ich sah etwas wie den Schimmer von Glanzerz, wie das Aussehen von Feuer, das ringsum ein Gehäuse hat; von dem Körperteile an, der wie seine Hüften aussah, nach oben zu, und von dem Körperteile an, der wie seine Hüften aussah, nach unten zu sah ich es – wie Feuer anzuschauen; und strahlendes Licht war rings um ihn her.
    28 Wie der Bogen aussieht, der am Regentage in den Wolken erscheint, so war das strahlende Licht ringsum anzusehen. So war das Aussehen der Erscheinung der Herrlichkeit des HERRN; und als ich sie erblickte, warf ich mich auf mein Angesicht nieder und hörte die Stimme eines, der da redete.


    Bemerkungen/ Gedanken:

    • Hesekiel kommt direkt zur Berufung. Der Mann gefällt mir schonmal
    • Der Kebar ist laut Google wohl ein Nebenfluss des Euphrat. Das macht Sinn
    • Vers 4 klingt nach einer Art Gewitter. Wobei ich in meiner P&P Runde diese Woche einen magischen Sturm so ähnlich beschrieben hab
    • Ich wusste, dass biblische Engel abgefuckte Kreaturen sind, aber die Beschreibung ab Vers 5 ist ja mal geil Erinnert mich an die Seraphim, daran hab ich auch schonmal für P&P bedient. Bei der Beschreibung steht die vier im Vordergrund (vier Wesen, vier Gesichter, vier Flügel, vier Hände, vier Seiten, gevierte Gesichter (Mensch, Löwe, Stier, Adler), vier Räder). Bei Vier denk ich im Kontext "Gewitter" an die vier Himmelsrichtungen
    • Irgendwie stell ich mir Hesekiel als einen völlig dehydrierten Flüchtling in der Wüste vor, der bei nem Gewitter irgendwelche abgefahrenen Sachen im Himmel zu sehen glaubt
    • Chrysolith ~ Olivin
    • Die Beschreibung der Räder klingt nach einem Einkaufswagen. Da rollen die Räder auch immer "nach allen vier Seiten hin"
    • Spaß beiseite, die Beschreibung finde ich spannender, als so gut wie alles von Jeremia. Ich kanns mir nur nicht so ganz vorstellen. Aber die Räder scheinen wichtig zu sein - oder Hesekiel ist ein Technik-Nerd
    • Schwabenbibel merkt an, dass das mit den vier Rädern einen "Thronwagen" Gottes darstellen soll (V. 22f). Ganz früher wurde der doch auch in nem Karren hin und hertransportiert.
    • Laut Hesekiel scheint Gott menschliche Gesalt zu haben (V. 26). Und er scheint ziemlich reich zu sein.
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  9. #4734
    Megas, megas, megas Avatar von Trismegistos
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    Ich denke, die Räder mit den vielen Augen (auch die sind übrigens später als eine Form von Engeln interpretiert worden ) könnten was damit zu tun haben, dass sich Gott durch die überallhin bewegen und alles sehen kann - halt nicht nur (unsichtbar) im Tempel in Jerusalem sitzt, sondern auch zu den fernen Exilanten in Babylon kommen kann. Wahrscheinlich war es unter den Juden der Zeit durchaus noch nicht so selbstverständlich, dass er auch außerhalb seines heiligen Landes präsent sein kann. Ich will aber nicht behaupten, dass ich diese Vision wirklich verstehe.

    Später ist da natürlich alle mögliche Symbolik reininterpretiert worden. Und ganz modern meinen manche ja auch, dass hier eine Begegnung mit Ufos/ Außerirdischen geschildert wird.

  10. #4735
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Hesekiel 2
    1 Und er sagte zu mir: »Menschensohn, tritt auf deine Füße; denn ich will mit dir reden.«
    2 Als er so zu mir sprach, kam eine Gotteskraft in mich, die mich auf meine Füße treten ließ; und ich hörte den an, der mit mir redete.
    3 Er sagte dann zu mir: »Menschensohn! Ich sende dich zu denen vom Hause Israel, zu den abtrünnigen Stämmen, die sich gegen mich aufgelehnt haben; sie und ihre Väter sind von mir abgefallen bis auf den heutigen Tag.
    4 Und die Söhne haben ein trotziges Gesicht und ein hartes Herz; zu ihnen sende ich dich, und du sollst zu ihnen sagen: ›So hat Gott, der HERR gesprochen!‹
    5 Mögen sie dann darauf hören oder mögen sie es lassen – denn sie sind ein widerspenstiges Geschlecht –, so sollen sie doch erkennen, daß ein Prophet unter ihnen aufgetreten ist.
    6 Du aber, Menschensohn, fürchte dich nicht vor ihnen und laß dich durch ihre Reden nicht einschüchtern, ob auch Disteln und Dornen um dich sind und du unter Skorpionen wohnst: fürchte dich nicht vor ihren Reden und erschrick nicht vor ihren Mienen! Denn sie sind ein widerspenstiges Geschlecht.
    7 Vielmehr sollst du ihnen meine Worte verkündigen, mögen sie darauf hören oder mögen sie es lassen; denn sie sind widerspenstig!«
    8 »Du aber, Menschensohn, höre, was ich dir sage: Sei du nicht widerspenstig wie das widerspenstige Geschlecht! Öffne deinen Mund und iß, was ich dir jetzt gebe!«
    9 Als ich nun hinblickte, sah ich eine Hand, die sich mir entgegenstreckte, und in ihr befand sich eine Schriftrolle.
    10 Er breitete sie vor mir aus, und sie war auf der Vorderseite und auf der Rückseite beschrieben; und zwar standen Klagen, Seufzer und Wehe auf ihr geschrieben.

    Bemerkungen/ Gedanken:

    • "Menschensohn" klingt ein bisschen wie eine Beleidigung
    • Der Auftrag ist recht klar. Dass direkt dazugesagt werden muss "fürchte dich nicht vor ihnen" spricht einmal mehr dagegen, dass das Volk schnell begreifen wird
    • Ich mag auch den Fatalismus, der in Vers 7 zum Ausdruck kommt: "mögen sie darauf hören oder mögen sie es lassen"
    • Vers 9! Hat da Gott nen Teil der Bibel selbst geschrieben?
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  11. #4736
    Megas, megas, megas Avatar von Trismegistos
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    Dass die Israeliten ein widerspenstiges Geschlecht sind, musste hier aber auch wirklich, wirklich noch mal betont werden. Viermal in dem kurzen Teil!

  12. #4737
    Infrarot Avatar von Der Kantelberg
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    Hesekiel 1 hat schon viele Leser in die Verwirrung geführt.

    - Die lebendigen Wesen würde man eher mit Cherubim als mit stinknormalen Engeln benennen.

    - Hesekiel sieht den Herrn in seiner Herrlichkeit. Wie vor ihm: Mose mit den 70 Ältesten (und später allein) auf dem Berg Sinai, wie Elija auf dem Berg Horeb und wie Jesaja bei seiner Berufung im Tempel. Aber Hesekiel ist an einem Kanal in Mesopotamien.

    - Das ist ja auch kein Wunder, denn Gottes Thron, auf dem Gott in seiner Herrlichkeit sitzt, hat Räder und ist mobil. - Diese Erkenntnis ist für die Israeliten etwas Neues!


    - Und ja, Erich von Däniken hat aus der Beschreibung ein UFO gemacht...
    Die Macht des Verstandes ... sie wird auch im Fluge dich tragen - Otto Lilienthal

    Schweinepriester: Ihr habt euch alle eine Fazialpalmierung verdient.


  13. #4738
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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  14. #4739
    Wolf im Krokodilpelz Avatar von Mongke Khan
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    Hesekiel 3
    Achtung Spoiler:
    1 Dann sagte er zu mir: »Menschensohn, iß, was du da vor dir siehst! Iß diese Schriftrolle und gehe dann hin und rede zum Hause Israel!«
    2 Da öffnete ich meinen Mund, und er gab mir jene Rolle zu essen;
    3 dabei sagte er zu mir: »Menschensohn, verschlucke diese Schriftrolle, die ich dir gebe, und fülle deinen Leib mit ihr!« Da aß ich sie, und sie schmeckte mir im Munde süß wie Honig.
    4 Darauf sagte er zu mir: »Menschensohn, auf! Begib dich zum Hause Israel und rede in meinem Namen zu ihnen!
    5 Denn nicht zu einem Volk mit dunkler Sprache und unverständlicher Rede wirst du gesandt, sondern zum Hause Israel;
    6 auch nicht zu zahlreichen Völkern mit fremder Sprache und unverständlicher Rede, deren Worte du nicht verstehst – freilich, wenn ich dich zu diesen sendete, würden sie auf dich hören –;
    7 aber das Haus Israel wird nicht auf dich hören wollen: sie wollen ja auch auf mich nicht hören; denn das ganze Haus Israel hat eine harte Stirn und ein verstocktes Herz.
    8 Doch wisse: ich will auch dein Angesicht hart machen gleich dem ihrigen und deine Stirn hart gleich der ihrigen:
    9 wie Diamant, härter als Kieselstein, will ich deine Stirn machen. Fürchte dich nicht vor ihnen und laß dich durch ihre Mienen nicht einschüchtern! Denn sie sind ein widerspenstiges Geschlecht.«
    10 Dann fuhr er fort: »Menschensohn, alle meine Worte, die ich zu dir reden werde, nimm dir zu Herzen und laß sie in deine Ohren eindringen!
    11 Und nun mache dich auf und begib dich zu den in der Verbannung Lebenden, zu deinen Volksgenossen; rede zu ihnen und sage ihnen: ›So hat Gott der HERR gesprochen!‹ – mögen sie nun darauf hören, oder mögen sie es lassen!«
    12 Da hob die Gotteskraft mich empor, und ich vernahm hinter mir ein lautes, gewaltiges Getöse, als die Herrlichkeit des HERRN sich von ihrer Stelle erhob,
    13 nämlich das Rauschen der sich gegenseitig berührenden Flügel der vier lebenden Wesen und das Gerassel der Räder neben ihnen, ein lautes gewaltiges Getöse.
    14 Als mich nun die Gotteskraft emporhob und mich entrückte, ging ich dahin, tief betrübt in der Erregung meines Geistes, während die Hand des HERRN übermächtig auf mir lastete.
    15 So kam ich denn zu den in der Verbannung Lebenden nach Thel-Abib, wo sie am Flusse Kebar wohnten, und weilte dort sieben Tage lang unter ihnen, in dumpfes Schweigen versunken.
    16 Als aber die sieben Tage um waren, erging das Wort des HERRN an mich also:
    17 »Menschensohn, ich habe dich zum Wächter für das Haus Israel bestellt: wenn du ein Wort aus meinem Munde vernommen hast, sollst du sie in meinem Namen verwarnen!
    18 Wenn ich also zum Gottlosen sage: ›Du mußt des Todes sterben!‹ und du verwarnst ihn nicht und sagst kein Wort, um den Gottlosen vor seinem bösen Wandel zu warnen, um ihn am Leben zu erhalten, so wird er als Gottloser um seiner Verschuldung willen sterben, aber für den Verlust seines Lebens werde ich dich verantwortlich machen.
    19 Hast du aber den Gottlosen gewarnt und hat er sich trotzdem von seiner Gottlosigkeit und seinem bösen Wandel nicht abgewandt, so wird er zwar um seiner Verschuldung willen sterben, du aber hast deine Seele gerettet.
    20 Und wenn ein Gerechter sich von seiner Gerechtigkeit abkehrt und Böses tut und ich ihm dann entgegentrete, so daß er stirbt: wenn du ihn dann nicht gewarnt hast, so wird er zwar infolge seiner Sünde sterben, und der gerechten Werke, die er vollbracht hat, wird nicht mehr gedacht werden; aber für den Verlust seines Lebens werde ich dich verantwortlich machen.
    21 Wenn du ihn aber, den Gerechten, gewarnt hast, daß er keine Sünde begehen möge, und er dann auch keine Sünde begeht, so wird er am Leben bleiben, weil er sich hat warnen lassen, und du hast deine Seele gerettet.« 
    22 Da kam dort die Hand des HERRN über mich, und er gebot mir: »Mache dich auf und gehe in die Tal-Ebene hinaus: dort will ich mit dir reden!«
    23 Da machte ich mich auf und ging in die Tal-Ebene hinaus; und siehe, dort stand die Herrlichkeit des HERRN gerade so, wie ich sie am Flusse Kebar geschaut hatte; da warf ich mich auf mein Angesicht nieder.
    24 Aber die Gotteskraft kam in mich und ließ mich auf meine Füße treten; und er redete mich an mit den Worten: »Gehe heim und schließe dich in deinem Hause ein!
    25 Und du, Menschensohn, wisse wohl: man wird dir Fesseln anlegen und dich mit ihnen binden, so daß du nicht unter sie wirst hinausgehen können.
    26 Und ich werde dir die Zunge am Gaumen kleben lassen: stumm sollst du werden und kein Strafprediger mehr für sie sein; denn sie sind ein widerspenstiges Geschlecht.
    27 Wenn ich aber mit dir rede, werde ich dir den Mund auftun, und du sollst zu ihnen sagen: ›So hat Gott der HERR gesprochen!‹ Wer dann hören will, mag hören, und wer es lassen will, der mag es lassen! Denn sie sind ein widerspenstiges Geschlecht.«


    Bemerkungen/ Gedanken:


    • Hesekiel hat Visionen und isst Papier Als Metapher macht das natürlich Sinn, die Worte Gottes wie Nahrung, die man zum Leben braucht in sich aufzunehmen (und nicht etwa nur flüchtig durchlesen). Aber die Vorstellung ist schon gold. Und was passiert mit den Worten, wenn er sie verdaut hat?
    • Die dunkle Sprache (V. 5)
    • Was verspricht sich Gott, wenn er die Worte, auf die eh nicht gehört werden, noch einmal durch wen anders sagen lässt, der auch nicht gehört wird? Und dann verstockt er ihn auch noch? Als Hobbypsychologe würde ich Gott raten, die toxische Beziehung zu den Israeliten einfach einzustellen
    • Spannend, dass die Entrückung hier auch physisch passiert (V. 14)
    • Vers 18ff klingt nach so ner fiesen Stelle in den AGB, die man nicht gelesen hat: Als Prophet muss man (Hesekiel) das Wort verkünden. Auch wenn andere es gar nicht hören wollen. Da stellt sich mir glatt die Frage, wie viel Angst vor Gott beim Christianisieren eine Rolle gespielt hat. Sprich: ging es darum, Seelen zu retten (weil sich nicht getauft sind etc.) oder darum, die eigene Seele zu retten (weil man aktiv Gottes Wort verkündet)?
    • Vor allem in Verbindung mit der göttlich verfügten Stummheit (V. 26) klingt das nach einer ziemlich fiesen Kombination
    • Die fatalistische Grundhaltung blitzt auch wieder zweimal durch in diesem Kapitel
    Zitat Zitat von Ghaldak Beitrag anzeigen
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  15. #4740
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    Zitat Zitat von Mongke Khan Beitrag anzeigen
    Interessant, das Lied endet nicht mit einer hoffnungsvollen Nachricht, sondern mit einer verzweifelt klingenden und unbeantworteten Frage: "Oder hast du uns gänzlich verworfen? Zürnst du uns unversöhnlich?" Interessante und auf mich eher modern anmutende Entscheidung - bislang hatte ich den Eindruck, die Bibeltexte machen immer recht klare Ansagen und arbeiten wenig mit Cliffhangern.
    Vielleicht noch ein Gedanke zu diesem Teil, auch wenn du schon weiter bist: Auch die Propheten (egal, ob das Buch jetzt von Jeremia, Baruch oder einer anderen Person stammt) lebten ja als Menschen ihrer Zeit. Die Verzweiflung von Exilanten oder verarmten und unterdrückten Daheimgebliebenen stand also vermutlich im Vordergrund. Trotzdem wenden sie sich weiterhin an JHWH, ihren Gott, von dem sie Rettung erhoffen. Die Verzweiflung ist also groß, aber vielleicht nicht übermächtig?

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