Acht
Wenn Thomas jeweils den Gleiter auf Autopilot schaltete und damit begann seinen Bericht über den Einsatz zu schreiben, vertrieb sich Asiko oft die Zeit mit dem Infrarot-Sensoren. Jedes erfasste Lebenszeichen in den radioaktiven Ruinen unter ihm wurde vom Bordcomputer erfasst und mit der Datenbank abgeglichen. Auch wenn die Ortung meistens alles andere als exakt war, insgeheim hoffte Asiko stets auf den grossen Fang, die Anzeige eines gesuchten Warlords oder Schwerverbrechers der Top-Ten-Liste. Die Belohnung würde es ihm endlich erlauben sich sozusagen selbstständig zu machen oder ihm zumindest einen angenehmeren Posten verschaffen. Aber an sich war er schon zufrieden, wenn er einfach nicht die Aufmerksamkeit von Thomas auf sich lenkte, wie es zu Beginn seiner Tätigkeit bei den Lunars nur allzu oft geschehen war. Als dieser das Cockpit verliess, vermutlich um den Gefangenen schon mal etwas intensiv zu befragen, blickte Asiko kurz nach links, zu der Konsole des Autopiloten. "Stützpunkt Berlin Argosia: 00:26:45" zeigte sie an, man konnte den Lunar-Computern zumindest nicht vorwerfen, dass sie nicht genau waren. Im selben Moment begann die Anzeige der Sensoren zu blinken, offenbar hatten sie einen positiven Kontakt aufgefangen. Der Bildschirm zeigte ihm das Fandungsfoto, eine etwa zwei Jahre alte Aufnahme einer jungen Frau, fast noch ein Mädchen, mit langen kupferfarbenen Haaren. Und irgendwie erschien sie Asiko seltsam vertraut.
+++ Caén +++
Echter/voller Name: Unbekannt
Geschätztes Alter: 17-20 Jahre
Identifikations-Nummer: 00486-69.53
Priorität: Mittel
Gesucht wegen Hehlerei und Waffenhandel, sowie Ermordung einer potentiellen Informationsquelle.
Irgendwo hatte er diese Caén schon einmal gesehen. "Was ist da los?" Asiko zuckte zusammen, als er die Stimme von Thomas vernahm, sein Vorgesetzter hatte sich lautlos von hinten genähert. "Ähm, offenbar befindet irgendwo da unten eine gesuchte Kriminelle. Ich hab rein zufällig die Sensoren..." "Ja ja, wie auch immer. Ich melde mich kurz bei der nächsten Basis." Das war gerade noch einmal gut gegangen, es war auch schon vorgekommen, dass Thomas einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekam, wenn sein Partner mal wieder an den Sensoren herum gespielt hatte.
Asiko versuchte sich zu erinnern, woher er diese junge Frau kannte. Mal überlegen, vor zwei Jahren hatte auch er sich, wie viele andere Bewohner der zerstörten Städte, als Lieferant einiger Hehler durchgeschlagen. So sehr er seinen jetzigen Job auch hasste, er wünschte sich diese Zeit keinesfalls zurück. Die Trooper boten ihm zumindest einen angenehmen Schlafplatz, regelmässige Mahlzeiten und selbst wenn er mal wieder Mist baute und deshalb einen Tag Einzelhaft kassierte: Die Gefängniszellen der Stützpunkte waren bei weitem besser als das, was vor zwei Jahren noch sein Alltag gewesen war. Vor zwei Jahren... Und plötzlich fiel es ihm wie von Schuppen von den Augen. Dieser Hehler, der ihm oft einige seiner Fundstücke abkaufte, er hatte sich ein Mädchen als eine Art Haussklavin gehalten. Damals war sie Asiko nicht gross aufgefallen, meistens war sie lediglich still in einer Ecke gesessen. Aber an dem Tag, als sie den Typen abstach, da war was los gewesen. Nach einem Moment der Konfusion begannen sich die ehemaligen Lieferanten des Hehlers um dessen Besitztümer zu streiten. Asiko hatte sich am Ende durchgesetzt, das war auch nicht weiter verwunderlich, wahrscheinlich hatte er als Einziger seine Einnahmen nicht immer gleich in Drogen umgesetzt. Die Lunars, die einige Minuten später das Versteck stürmten, waren trotzdem recht verwundert darüber gewesen ihn praktisch unverletzt inmitten über einem Dutzend Leichen zu sehen und hatten ihn rekrutiert.
"He, Anfänger!" Die bellende Stimme von Thomas unterbrach Asiko in seinen Überlegungen. "Die Zentrale meint, wir sollen noch vor Ort bleiben und diese Person beobachten." Der Gleiter flog eine scharfe Kurve und begann so leise wie möglich über dem Zielgebiet zu kreisen.
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